Der Berg ruft… Oder der Bergsee ruft?…
In Bivio – einem kleinen, idyllischen Ort nicht weit der Passhöhe vom beliebten Julierpass entfernt, auf dem Weg ins Engadin, kann so manches Taucherherz begeistert werden. Denn hier liegt der bekannte, sagenumworbene Marmorera See auf ca. 1684 Meter über Meer. Fährt man entlang der Bergstrasse Richtung Julierpass, durchquert man das kleine Dörfchen Sur. Kurz danach, ganz unscheinbar mit Gras überwachsen erscheint sie, die Staumauer des Marmorera Sees – nichts lässt auf den ersten Blick darauf schliessen, dass sich dahinter 2.7 Millionen Kubikmeter Wasser befinden – genau unser Element…
Die Geschichte:
Wie auch in anderen Stauseen der Schweiz mussten beim Bau vom Lai da Marmorera die Menschen ein neues Zuhause suchen. Nahe der heutigen Staumauer lag das alte Dorf Marmorera – Menschen haben hier im Tal ihr Leben aufgebaut. Als der Bau der Staumauer beschlossen war, und somit die Menschen vor die Tatsache gestellt wurden, dass ihr Leben an einem anderen Ort stattfinden soll, haben sich viele entschlossen, dies nicht im neuen Marmorera, welches etwas oberhalb des Stausees erbaut wurde, zu tun. Die Beweggründe waren klar, denn Marmorera ist weit entfernt von Industrie und wirtschaftlich wichtigen Standorten. Doch ein Hauptgrund für den zahlreichen Wegzug aus der Region ist wohl doch die emotionale Bindung zum Zuhause der Menschen aus dem Vorort des Julierpasses.
Und so wurde es noch vor 1950 Tatsache, dass die Menschen und Tiere aus den 29 Häusern und 52 Ställen den Wegzug aus ihrer Heimat nicht mehr verhindern konnten und sich dem Neuen Leben zuwandten.
Es waren die Zürcher, die Energie aus der Julia, dem Bergbach welcher vom Julierpass Richtung Chur fliesst, gewinnen wollten – und so wurde an der Gemeindeversammlung beschlossen, das Land an die Zürcher zu verkaufen.
Es war der 09. Mai 1954, als ein aller letztes Mal ein Gottesdienst auf dem Boden des alten Marmorera stattfand – danach wurden die letzten Gebäude gesprengt und das Gebiet geflutet.
Sagen und Gerüchte:
Noch heute hört man hier und dort, das alte Marmorera liege noch immer im See verborgen – Häuser, Kirche und Ställe könne man da noch finden. Doch es ist schnell erklärt, kein einziges Haus, kein einziges Gebäude, nichts vom alten Marmorera ist dort noch zu sehen. Was von den Sprengungen noch übrig war, hat in den letzten 70 Jahre der Schlick und die Sedimente des Sees unter sich vergraben. Die Geschichte liegt, wenn überhaupt, unter dem Grund des Sees.
Doch nicht alle Spuren der vergangenen Zeit sind verschwunden. Am südlichen Ende des Sees, dort wo Julia in den See mündet, kann man noch alte Zeugnisse finden, welche ein Hauch des alten Lebens in Marmorera erahnen lassen.
Das Event:
Es ist schon zu unserer Tradition geworden, Bivio und den Marmorera See im Juli zu besuchen. Auch dieses Jahr hat uns der Berg, oder besser gesagt der Bergsee gerufen, denn Weg ins Bündnerland auf uns zu nehmen. Rekordverdächtige 25 Taucherinnen, Taucher, Wanderer und Freunde der aarau dive factory haben dieses Jahr ein Weekend der absoluten Spitzenklasse genossen. Bei den von uns organisierten Wochenenden geht es natürlich um das Abenteuer unter Wasser, doch auch die geselligen Abendessen und gemütlichen Runden unter tollen Leuten stehen ebenso im Fokus aller erlebnishungrigen Teilnehmer.
Am Freitagabend um 17:00 Uhr startete das Event mit dem Theorieunterricht der Kursteilnehmer, welche zum Abschluss mit dem Brevet PADI Altitude Diver belohnt wurden. Traditionellerweise begann danach alles mit der offiziellen Weekend-Eröffnung und einem zauberhaften Abendessen im Hotel Guidon in Bivio, in welchem wir auch unsere Unterkunft für 2 Nächte gefunden haben.
«Der Koch des Hotel Guidons verwöhnt uns Jahr für Jahr mit seinen Künsten – das Essen ist wirklich immer eines der Highlights» erzählt uns der Organisator und Kursleiter des Wochenendes, Sam von Rotz.
In den frühen Morgenstunden, nach wir uns alle beim Frühstück gestärkt hatten, reiten wir alle unsere Autos direkt am See, auf der alten Julier Passstrasse, welche schlussendlich im See in die Tiefe einfach verschwindet, auf. Unser Ziel war klar, ein bisschen Geschichte aus den alten Zeiten der Gegend, ohne den See, zu erleben und zu entdecken.
14 Tauchschüler für den PADI Spezialkurs, 5 Fun-Diver, 5 Staffmitglieder und 2 Wanderer strotzen dem Abenteuer Marmorera und Marmorera See und freuten sich auf Traumbedingungen, ob unter Wasser oder an Land. 2 Tauchgänge und jede Menge Spass, Freude und glückliche Gesichter durften wir an diesem Samstag, welcher sich mit stahlblauem Himmel von seiner besten Seite zeigte, zu sehen bekommen.
«Der See war so glasklar, dass wir auf 30 Meter Tiefe nicht einmal eine Lampe brauchten» dieses Fazit gab uns Jacques Hartmann, einer unserer Instruktoren des Bergsee-Weekends.
Auch unser Sonntagsprogramm steht bereits unter Heimatschutz, denn nach erneut spannenden Tauchgängen bei idealen Bedingungen wurden wir von unserem Course Director Donat kulinarisch verwöhnt. Bereits am Mittag liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren; Dreibeingrill und Entrecote wurden bereitgestellt und alle Teilnehmer warteten mit hungrigen Bäuchen auf den krönenden Abschluss des Weekends. Und auch dieses Jahr konnten wir das zart rosa-gebratene Beef kaum erwarten. Ein Leckerbissen der wortwörtlich auf der Zunge zerging.
Gegen 15:00 Uhr am Sonntagnachmittag traten dann alle Teilnehmer die Rückreise ins Unterland an. Die strahlenden Augen unser Weekend-Teilnehmer sagen uns eigentlich alles, was wir wissen müssen.
«Es ist genau das, was wir mit solchen Events erreichen wollen – wenn die Augen unserer Taucher leuchten, dann haben wir unseren Job richtig gemacht» schwärmt Donat Hediger nach einem gelungenen Bergsee-Weekend.
Das Tauchen:
Beim Tauchplatz alte Julier Passstrasse, am südlichen Ende des Marmorera Sees geht die alte Passstrasse von der Neuen Strasse abfallend Richtung See. Dieser kiesige Weg endet aber nicht vor dem See – nein, die Strasse verschwindet einfach im See. Früher war es der Weg der Menschen, welche im alten Marmorera ihre Heimat hatten. Ein erstes Indiz dafür, dass sich in diesem See eine Geschichte verbirgt.
Mit ein wenig Glück ist der Marmorera See glasklar mit einer Sichtweite bis zu 20 Meter. Das sind in Schweizer Seen nicht unbedingt alltägliche Tauchbedingungen. Je nachdem, wie hoch der See vom Elektrizitätswerk gefüllt wird, steigt man etwas früher oder dann erst nach der Kurve Richtung Seemitte ins Wasser. Die Bergkulisse, welche du vor dem Abtauchen bewundern kannst, ist so traumhaft schön wie es der fleissige Graubünden Besucher sich gewohnt ist. Und schon kurz nachdem der Taucher seinen Kopf unter Wasser hat wird klar, dass hier nicht immer ein See die Landschaft zierte. Der alte Weg, Stützeisen vergangener Zeiten und gar ein Gullydeckel sind bereits auf den ersten Metern zu sehen.
Wer sich etwas weiter in die Tiefe wagt, findet auf ca. 22 Meter unter dem Seespiegel die erste von drei hohen Mauern, welche dem alten Bach den Weg ins Tal wiesen. Die Mauer hat eine Höhe von ca. 9 Meter und somit ist man am Fuss der Mauer auf ca. 30 – 31 Meter am Tauchen. Auf der anderen Seite der Mauer ist eine atemberaubende Felswand zu finden, welche an der Wasseroberfläche einfach weiter in die Höhe schiesst.
Alte Baumstämme des gerodeten Waldes sind immer wieder zu finden und auch diese zeigen dem abenteuerlustigen und neugierigen Taucher, dass es hier ein Leben vor dem Wasser gegeben hat.
Der Tauchgang an der Oberkante der Mauer führt uns Richtung Süden zur zweiten Mauer und danach zur Dritten. Mit etwas Fantasie kann man sich sehr gut vorstellen, was sich hier vor über 70 Jahren abgespielt haben könnte.
Wer noch etwas frischeres und klareres Wasser liebt, der taucht am Ende des Sees direkt in die Mündung der Julia ein. Ein bisschen Fluss- und Strömungstauchen ist somit auch noch dabei. Nach ca. 5 – 6 Minuten gegen die Strömung ist dann fertig, denn da kommt ein kleiner Wasserfall, welcher von unten bewundert werden kann. Danach lässt man sich einfach und bequem von der Strömung zurück in den See treiben. Diese Unterwasserreise geht bis zum zum Ausstieg weiter – plötzlich ist der alte Weg wieder zu sehen, wenn du dann einfach dem Weg folgst, so tauchst du gezwungenermassen auf, denn dieser Weg führt dich auch direkt wieder aus dem See.
Er ist für Taucher ein Juwel in den Bergen – zauberhaft, geschichtsträchtig und doch sagenumworben liegt er nur ein paar Minuten vor der Passhöhe des Juliers.
Unsere Beurteilung – Schwierigkeitsgrad und benötigte Ausbildung:
Dieser See hat für jede Ausbildungsstufe etwas zu bieten. Ob Open Water Diver oder Deep-Diver. Im oberen Bereich ist der See sehr flach und bei den ersten beiden Mauern kann mit einer Maximaltiefe von 15 Meter ein Open Water Diver problemlos das Abenteuer Bergseetauchen erleben.
Für die mit einem Brevet ausgestatteten Taucher, welche bereits tiefer abtauchen können, hat der See weiter Richtung Norden spannendes in der Tiefe zu bieten.
Wir empfehlen auf jeden Fall, auf Grund der Bergseebedingungen, mit Nitrox in der Tauchfalsche anzureisen – das verlängert die Tauchzeit in der Tiefe – weil der See ja so hoch liegt und die Verfahren für das Bergseetauchen angewandt werden müssen.
Abschluss:
Graubünden – hier kannst du was erleben…
Unser Wochenende war erneut ein voller Erfolg. Wir freuen uns schon jetzt auf die kommenden Jahre, in denen wir hierher kommen und unser Abenteuer Bergseetauchen erleben können.
Das nächste Jahr reisen wir vom 16. – 18. Juli 2021 in die Berge an den Lai da Marmorera – wir freuen uns auf eure Teilnahme auch im nächsten Jahr.
Hier geht’s direkt zur Anmeldung für das Bergseetauchen 2021